Erfolgreiche Konzepte im Markt, Teil 1
Warum sind Boutique Gyms so erfolgreich? Was sind Boutique Studios eigentlich? Auf jeden Fall sind es keine „eierlegende Wollmilchsau“-Tempel. Hier gibt es nicht fünf Kursräume, Schwimmbad, Cardio- und Kraftgeräte, Yogamatten, Kletterwände, Wellnessbereich, Functional Area, Kraftbereich, Squash- und Badmintoncourts und eine Cafeteria auf 10.000 m2. Boutique Studios sind genau das Gegenteil: absolute Profis in ein, maximal zwei Spezialbereichen.
Konzepte wie SoulCycle, CrossFit, Barrys Bootcamp, Orange Theory und Touchstone Climbing haben sich international einen Namen gemacht. Der europäische Markt ist geprägt von Boutique Studios wie zum Beispiel Urban Heros, Bodystreet, 25 Minutes, Mrs.Sporty, Calorie Coach und PT-Lounges. Eines haben alle gemeinsam: Sie sind Spezialisten mit einer Gesamtfläche zwischen 100 und 300 m2. Sie alle haben einen extrem hohen Community-Charakter und hohe Erfolgsquoten. Microstudios – wie Boutique Studios auch genannt werden – sind deutlich exklusiver als „normale“ Fitnessclubs und zeichnen sich durch ihre Serviceleistungen aus.
Persönlichkeit hat ihren Preis
Boutique Studios sind zwar klein, ein entscheidender Pluspunkt ist jedoch der Faktor Persönlichkeit. Die Kurse sind nicht so voll wie in anderen Studios. Dies ermöglicht den Trainern und auch den Kunden, sich untereinander besser kennenzulernen. Dadurch entstehen intensivere Kontakte, die Trainer erfahren mehr über die Bedürfnisse des Kunden und können so eine präzisere Trainingssteuerung durchführen. Kundenbedürfnisse werden früher erkannt und individuelle Vorlieben und Ziele können leichter umgesetzt werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Betreuungsqualität steigt – und das in jeder Trainingseinheit. Aufgrund dieser intensiveren und persönlicheren Betreuung sind Boutique Studios, verglichen mit normalen Clubs, wesentlich teurer.
Warum sind Boutique Studios so erfolgreich?
Spezialisierung
Wie schon erwähnt, sind Boutique Studios Spezialisten auf ihrem Gebiet. Zumeist sind die Trainer fest angestellt und in ihrem Fachbereich überdurchschnittlich aus- und weitergebildet. Durch die Spezialisierung unterscheiden sich die Angebote und Workouts der jeweiligen Anbieter extrem. Das Portfolio reicht von Dance-Classes, Spinning, Kickboxing, MMA oder Yoga und EMS bis hin zu Functional Training. Trainierende, die gerne mehrere Workouts zur Auswahl hätten, müssten mehrere Boutique Studios besuchen – ein Vorteil für Betreiber , denn hier liegt die Chance, zusätzliche Gewinne zu generieren!
Zusätzliche Services
Neben dem Training sorgen viele Boutique Studios mit ungewöhnlichen Services für einen bisher so nicht gekannten Mehrwert. Viele Kurse beispielsweise beginnen schon um 6 Uhr morgens. Ein kostenloser Handtuchservice gehört oft ebenso dazu wie das „Grab-and-Go-Lunch“, sodass sich die Mitglieder um die Nahrungsaufnahme nach dem Training keine Sorgen machen müssen. Oder wie wäre es mit einer Einheit Business-Coaching oder einer Sitzung mit einem Motivationstrainer? Diese Services werden teilweise genauso angeboten wie das Hemdenbügeln. Natürlich sind viele dieser exklusiven Services nur gegen Aufpreis erhältlich, sodass der Monatsbeitrag schnell über den eines klassischen Premiumclubs ansteigt.
Boutique Studios sind trendy
Boutique Studios sind vergleichbar mit der Geschäftsidee von Modeboutiquen; die Ausrichtung ist ebenfalls stark an der aktuellen Mode orientiert. Nur dass die „Mode“ in diesem Fall eben die sportlichen Trends sind. Wie das Vorbild der Modeboutiquen, sind die Studios klein und individuell. Veränderungen des Marktes und Anpassungen können aufgrund der Größe schnell umgesetzt werden. Ein kleines Team gewährleistet hohe Authentizität und Identifizierung. Der Chef lebt seine Überzeugung und wirkt extrem authentisch auf die Mitglieder, weil er selbst häufig vor Ort ist.
Apropos Mode: Pauschal kann man sagen, dass Mode ein Gefühl von Zugehörigkeit gibt. Wir bekennen uns mit der Mode zu bestimmten sozialen Gruppen. In der immer größer werdenden Anonymität des Alltags hilft es uns auch bei der Orientierung und Ausrichtung unserer Werte und Ziele.
Nehmen wir das Beispiel der CrossFit-Community. Neben der Tatsache, dass die Clubs dort „Boxen“ heißen und einige Workouts Frauennamen haben, tragen die Männer dort Kniestrümpfe, jeder will Gymnastik machen und Beweglichkeit/Mobility ist cool. Um das möglichst optimal durchführen zu können, gibt es spezielle Schuhe für unterschiedliche Trainingsarten und eigene Kollektionen – und das weltweit. Um den Namen „CrossFit“ verwenden zu dürfen, zahlen Betreiber mehrere Tausend Dollar pro Jahr und schon sind sie Bestandteil der Community.
Was steckt dahinter? Durch eigens gebrandete Kleidung und Marken von und für die Member von Boutique Studios wird die Mitgliedschaft zu einer Art Statussymbol für einen gesunden Lifestyle. Die anderen Mitglieder avancieren zu Freunden und der Weg zum Training wird ein bisschen wie „nach Hause gehen“. Und dafür sind die Mitglieder bereit, 15 und 30 Euro pro Trainingseinheit zu zahlen (siehe auch Kasten „Zahlen und Fakten“).
Was machen Boutique Studios anders?
Jeder Betreiber eines Fitnessclubs oder eines Boutique Studios hat eine präzise Vorstellung davon, wie er sein Unternehmen gestalten will. Um mehr Klarheit zu bekommen, lohnt es sich, die momentane Marktsituation (pro Monat) anzuschauen:
- Preis in Discountstudios: 4,90–19,99 Euro
- Preis in Studios im mittleren Preissegment: 20–34,99 Euro
- Preis in Studios im sogenannten Mid Sector: 30–49,90 Euro
- Preis in Premiumstudios: 50–99 Euro
- Preis in sogenannten Platinumclubs: mehr als 100 Euro.
Aus den bisherigen Marktanalysen kann man sagen, dass das klassische Boutique Studio weder zum niedrigen noch zum mittleren Preissegment passt. Im deutschen Markt sind Boutique Studios im Umfeld der Premium- und Platinumclubs angesiedelt.
Warum sind Boutique Studios so erfolgreich?
Die alles entscheidende Frage ist: Warum haben Boutique Studios – mit ihrem überschaubarem Angebot und obwohl sie mitunter 10- bis 20-mal weniger Platz als klassische Fitnessanlagen haben – Erfolg? Die folgenden Punkte zeigen, warum. Boutique Studios haben den Antrieb,
- jedes einzelne Training zu einem Erlebnis zu machen,
- aus einzelnen Teilnehmern eine Community zu kreieren,
- aus jedem Sportler stets das Beste rauszuholen,die Trainer ständig fortzubilden und Neues zu lernen.
Anhand der Fakten lässt sich nicht wirklich herausfinden, warum diese Boutique Studios so erfolgreich sind. Ich glaube, die Fitnessindustrie muss anfangen, die Sache von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten. Was sind die wirklich entscheidenden Erfolgsfaktoren? Was reizt ein Mitglied wirklich? Seit vielen Jahren liegt der Fokus extrem auf den Workout-Inhalten, neuen Herangehensweisen, neuen Technologien, neuen Maschinen, Elektronik und Apps. Die Wahrheit dürfte aber in Anbetracht der erfolgreichen Zahlen der Boutique Studios (siehe Kasten „Zahlen und Fakten“) eine andere sein. Vielleicht kommt es gar nicht ausschließlich auf die Erfahrung während des Workouts an, sondern auch auf die Momente dazwischen – die Zeit zwischen den Trainingseinheiten. Es geht um Erlebnisse und Erfahrungen beim Training und darum, was man nach dem Workout spürt und fühlt. Je wertvoller das Mitglied die gemachten Erfahrungen einschätzt, umso wahrscheinlicher ist es, dass es dieses Erlebnis wiederholen möchte. Clubbetreiber, die von Mitgliedern nach dem Training Folgendes gesagt bekommen, sind auf einem guten Weg:
- „Wow, das war anders …!“
- „Die Einheit war super, wann können wir das nächste Mal trainieren?“
- „Neben dem Workout habe ich auch echt etwas Neues dazugelernt.“
- „Hey, können wir noch ein Foto zusammen für Instagram machen?“
- „Der Trainer hat genau gewusst, was ich wollte …!“
- „Ich habe mich total wohl gefühlt!“
- „Das ist mein Ding, das will ich auch!“
Um erfolgreich zu sein, muss man sehr spitze Angebote erstellen. Einige Boutique Studios haben damit große Erfolge, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Zeiteffizientes Training für Frauen
Mrs.Sporty in Deutschland und Italien, Vivafit in Portugal, Spanien, Indien und Dubai sowie Hart for her in Holland und Lady Moving in Frankreich zeigen, wie erfolgreich man sein kann.-
Zeiteffektives Training
EMS-Ketten wie die Electro-Body in Spanien, 25 Minutes, PT Lounge oder Bodystreet in D/CH sind sehr erfolgreich und die Zahl steigt stetig.
Nischen Anbieter
Das Konzept „Fit 20“ ist mit 53 Studios in Holland sehr erfolgreich. Hier kann in Straßenkleidung trainiert werden. Die Workouts dauern nur 20 Minuten.
Angebot auf Bedürfnisse der Zielgruppe ausrichten
Kreieren Sie eine mitreißende Geschichte und schneidern Sie diese der Zielgruppe genau auf den „sportlichen Leib“. Das muss nicht unbedingt durch den Inhalt der jeweiligen Stunde passieren, wie das Beispiel SoulCycle beweist. Hier bucht man als Kunde eher die Persönlichkeit des Trainers als die Class an sich. Hier werden die Kurse so benannt wie der Coach, der sie unterrichtet. Wenn Mitglieder auf den Stundenplan klicken, sehen sie das persönliche Profil des Trainers inklusive dessen Historie, seiner aktuellen Musikauswahl sowie Kontaktmöglichkeiten. Hier stehen eindeutig der Trainer und seine Qualifikation im Mittelpunkt.
Eine weitere vielversprechende Möglichkeit ohne Trainerbindung ist ein High-Quality-Programming: Hier werden die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Spinning-Fans präzise bedient. Es reicht heute nicht mehr, eine Cycling-Stunde mit dem Level 1, 2 und 3 zu versehen. Spezifische Inhalte mit klangvollen, emotionalen Namen ziehen an. Gerade Fitnessfans möchten präziser wissen, was sich dahinter verbirgt. „12 Hill Sprints“, „Fast and Furious“, „Leg Burn“ usw. sind Beispiele für mögliche Kursnamen.
Old Book, New Cover
Ebenso empfehlenswert ist es, eine neue Geschichte zu erfinden bzw. eine alte weiterzuentwickeln. Als perfektes Beispiel hierfür dient Soul Bands. Das Konzept: Über den Bikes hängen jeweils zwei Bänder von der Decke herab. Cycling wird mit einem Oberkörperworkout kombiniert. Ob man das braucht? Das entscheiden die Mitglieder und der Erfolg.
Die Bedeutung einer Community
Eine Club-Community aufzubauen ist von großer Bedeutung. Dabei meine ich nicht eine Gruppe Menschen, die sich zum BBP-Kurs treffen. Es geht um eine Gruppe von Enthusiasten, die zusammenkommen, um etwas zu erleben.
Helfen Sie Ihren Mitgliedern, dass sie sich als Teil des „großen Ganzen“ fühlen können. Geben Sie ihnen Identifikationsmöglichkeiten. Jeder Fitnesshype hat seine eigene Kleidung. In den 1980ern war es die Jane-Fonda-Optik, in den 1990ern waren es die Hip-Hop-Klamotten, später folgte der Zumba-Look und heute hat z.B. die CrossFit-Community ihren eigenen Look. Innerhalb der jeweiligen Gruppen und der Workouts steht die gegenseitige Motivation ganz oben. Es gibt keinen Verlierer, jeder wird von allen bis zum Schluss motiviert und unterstützt, sodass das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst.
Fazit
Boutique Gyms haben eines gemeinsam: die Ergebnisorientierung. Jedes Mitglied wird gefördert und extrem wertgeschätzt. Man wird immer mit Namen angesprochen, den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend individuell gecoacht und es werden Lösungen und Optimierungen in der Trainingsroutine eingebaut. Die Community schweißt zusammen und die Trainingserlebnisse motivieren die Teilnehmer.
Marc Rohde